Bundeswirtschaftsminister Gabriel zu Gast beim IG BAU-Gewerkschaftsbeirat
14.11.2015
Presse Archiv
Frankfurt am Main, 14.11.2015
Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) hat heute im Gespräch mit Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel ihre Positionen zur Aufnahme von Geflüchteten und Infrastrukturinvestitionen klargestellt. Gabriel kam anlässlich der Klausur des Gewerkschaftsbeirats in die IG BAU-Bildungsstätte in Steinbach/Ts.
Die IG BAU machte ihm gegenüber deutlich, dass sie von der Bundesregierung stärkere Anstrengungen zur Aufnahme und Integration von Kriegsgeflüchteten sowie deutliche Steigerungen der Investitionen in die Infrastruktur erwartet. „Hilfe für Geflüchtete ist eine moralische und rechtliche Verpflichtung. An dem Recht auf Asyl, wie es im Grundgesetz und in der von Deutschland unterzeichneten Genfer Flüchtlingskonvention geregelt wurde, ist für die IG BAU nicht zu rütteln“, sagte der IG BAU-Bundesvorsitzende Robert Feiger. „Eine Obergrenze ist damit nicht vereinbar. Menschen die ums nackte Überleben fürchten, lassen sich ohnehin nicht von Meeren oder Zäunen abhalten. Das ist eine große Herausforderung für die Gesellschaft. Manchem bereitet dies Unbehagen. Wir nehmen das ernst und klären über die Fakten auf, um Ängste abzubauen.“

Die Integration muss mit Hochdruck erfolgen. „Die Menschen brauchen ein Dach über dem Kopf. Jetzt rächt sich, dass die Mahnung der IG BAU, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, von der Politik jahrelang ignoriert wurde“, sagte Feiger. „Der Bau von günstigen Wohnungen muss auf 400 000 bis 450 000 Einheiten pro Jahr steigen.“ Derzeit liegt die Zahl der fertiggestellten Wohnungen bei 260 000.

Zu einer erfolgreichen Integration zählt selbstverständlich auch eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt. Vorstellungen der Wirtschaftslobby, Geflüchtete als Billigarbeiter zu missbrauchen, erteilt die IG BAU eine klare Absage. „Ausbeutung darf es in Deutschland nicht geben. Jeder, der hier arbeitet, hat Anspruch auf die tariflichen und gesetzlichen Standards. Das gilt selbstverständlich unabhängig von der Herkunft“, sagte Feiger.

Gleichzeitig hält die IG BAU unseren Staat damit überfordert, auch all jene Menschen aufzunehmen, die aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland kommen wollen. „Die Politik muss hier schnellstens für klare und zügige Verfahren sorgen. Dazu gehört endlich die Einsicht, dass Deutschland längst ein Einwanderungsland ist. Für einen geordneten Zuzug von Nicht-Geflüchteten brauchen wir deshalb ein Einwanderungsgesetz“, sagte Feiger. „Ebenso wichtig ist es, dass Deutschland wie auch die EU vor Ort die Ursachen der Armutszuwanderung intensiver bekämpft.“

Besorgt registriert die IG BAU die zunehmend offen rechten Parolen und die wachsende Gewalt gegen Fremde. „Rechtsradikale Propaganda und Aufrufe zu Gewalt sind nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Der Staat darf das nicht tolerieren. Er muss alle Möglichkeiten des Rechtsstaats konsequent einsetzen, um gegen Terror von rechts vorzugehen“, sagte Feiger.

Einen weiteren Schwerpunkt in der Diskussion mit Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel bildete der hohe Investitionsstau in Deutschland. Die IG BAU fordert die Bundesregierung auf, Verkehrswege und Infrastruktur nicht länger verfallen zu lassen. „Deutschland fährt auf Verschleiß. Das können wir uns nicht leisten. Unsere Wirtschaft ist auf eine funktionierende Infrastruktur angewiesen“, sagte der Stellvertretende IG BAU-Bundesvorsitzende Dietmar Schäfers. „Immerhin gibt es inzwischen offenbar ein Umdenken. Teilweise wurden die Haushaltsmittel von der Bundesregierung aufgestockt. Das ist ein richtiger erster Schritt, reicht aber nicht aus, um den Bestand vor zunehmenden Verfall zu retten. Grund sind die Fixierung auf Schuldenbremse und ‚schwarze Null‘. Damit wird die notwendige und machbare Stärkung der Verkehrsinfrastruktur verhindert. Die Politik muss die Erhaltungsaufwendungen für die Infrastruktur des Bundes, der Länder und der Kommunen aus der Schuldenbremse herausnehmen.“

Kritisch sieht die IG BAU eine Finanzierung von Bundesfernstraßen durch private Investoren. „Der bessere Weg ist die Gründung einer Verkehrsinfrastrukturgesellschaft. Diese kann Anleihen an Private vergeben, ohne dass diese mit Eigenkapital beteiligt werden“, sagte Schäfers. „Auf kommunaler Ebene brauchen wir einen ‚Nationalen Investitionspakt‘ in Höhe von mindestens 15 Milliarden Euro aus Bundes- und Ländermitteln.“